Multipath-Fehler

GNSS GPS Surveying RTK

Multipath-Fehler bei GNSS/GPS-Vermessungen: Detailliertes Glossar & Technische Erklärung

Multipath-Fehler sind ein hartnäckiges und komplexes Phänomen, das die Genauigkeit von GNSS- und GPS-Vermessungen beeinträchtigt. Im Bereich der hochpräzisen Positionierung ist das Verständnis, die Erkennung und die Minimierung von Multipath für verlässliche Ergebnisse in Geodäsie, Bauwesen, Kataster und Navigation unerlässlich. Dieser technische Leitfaden beleuchtet die zugrundeliegende Wissenschaft, praktische Auswirkungen, Erkennung im Feld und modernste Gegenmaßnahmen gegen Multipath-Fehler.

Multipath error: direct and reflected signal paths to a GNSS receiver.

Was ist ein Multipath-Fehler?

Ein Multipath-Fehler bei GNSS/GPS entsteht, wenn Satellitensignale den Empfänger über zwei oder mehr Wege erreichen: den vorgesehenen direkten (Sichtverbindungs-)Weg und einen oder mehrere indirekte Wege durch Reflexionen an Oberflächen wie Gebäuden, Wasser, Fahrzeugen oder dem Boden. Der Empfänger kann diese Signale nicht immer unterscheiden, was zu Fehlern in der berechneten Position führt, da reflektierte Signale später als das Direktsignal eintreffen. Die zusätzliche Weglänge des reflektierten Signals erhöht die gemessene Distanz und verursacht sowohl Pseudorange- als auch Trägerphasenfehler.

Multipath ist besonders problematisch in Umgebungen mit vielen reflektierenden Flächen (Städte, Wassernähe, Wälder mit nassen Blättern usw.) und kann – abhängig von Umgebung, Empfängerqualität und Antennendesign – von vernachlässigbar bis mehrere Meter reichen.

Die Wissenschaft hinter Signal-Ausbreitung und Reflexion

Direkte vs. reflektierte Signalwege

Satellitensignale sind dafür ausgelegt, geradlinig vom Satelliten zum Empfänger (Line-of-Sight, LOS) zu gelangen. In der Praxis treffen viele Signale auf Hindernisse, was zu Folgendem führt:

  • Reflexion: Das Signal wird an einer Oberfläche – z. B. Glas, Metall, Wasser oder Boden – reflektiert und schafft einen oder mehrere Non-Line-of-Sight-(NLOS-)Wege.
  • Streuung: Trifft ein Signal auf eine raue Oberfläche (z. B. belaubte Bäume, felsiger Boden), wird es in mehrere Richtungen gestreut.
  • Beugung: Ablenkung von Signalen um Hindernisse; bei GNSS-Frequenzen weniger ausgeprägt, kann aber dennoch beitragen.

Reflektierte Signale legen einen längeren Weg zurück als das Direktsignal, kommen später und mit veränderter Phase und Amplitude an. Der Korrelationsempfänger, der das Timing des eingehenden Signals entschlüsselt, kann dies als einzelnes, verzögertes Signal interpretieren, was zu Positionsfehlern führt.

Analogie

Stellen Sie sich vor, Sie rufen in einer Schlucht: Die Direktschallwelle erreicht Ihren Freund, aber Echos von den Wänden kommen etwas später an. Würde Ihr Freund versuchen, Ihre Entfernung anhand des Timings aller Geräusche zu schätzen, würden die Echos die Berechnung verwirren – genauso wie Multipath einen GNSS-Empfänger verwirrt.

Ursachen des Multipath-Fehlers

Multipath entsteht durch eine Mischung aus Umwelt- und technischen Faktoren:

QuelltypBeispieloberflächenTypischer Einfluss
MenschgemachtGebäude, FahrzeugeSchwerwiegend, besonders in Städten
NatürlichBäume, Wasser, GeländeMittel bis schwerwiegend
AtmosphärischFeuchtigkeit, TemperaturIndirekt, oft verstärkend

Menschgemachte Quellen

  • Gebäude/urbane Schluchten: Glas, Stahl und Beton reflektieren GNSS-Signale besonders stark. Dichte Städte schaffen Umgebungen, in denen die direkte Sichtverbindung oft versperrt ist und nur reflektierte NLOS-Signale vorhanden sind.
  • Fahrzeuge und Metallobjekte: Beweglich oder stationär, reflektieren diese Oberflächen Signale dynamisch.
  • Infrastruktur: Türme, Zäune und Schilder wirken als Reflektoren.

Natürliche Quellen

  • Vegetation: Nasse Blätter und dichtes Blätterdach reflektieren und streuen Signale.
  • Gewässer: Ruhiges Wasser wirkt für Satelliten in niedrigen Elevationen nahezu wie ein perfekter Spiegel.
  • Schnee, Eis, Gelände: Reflektieren oder streuen Signale, oft unvorhersehbar.

Atmosphärische Einflüsse

Die Atmosphäre verursacht Multipath nicht direkt, kann ihn aber durch Brechung, insbesondere bei niedrigen Elevationswinkeln, verstärken.

Auswirkungen des Multipath-Fehlers auf die Vermessungsgenauigkeit

Multipath verschlechtert die GNSS-Genauigkeit bei sowohl Pseudorange- als auch Trägerphasenmessungen:

  • Pseudorange-Messungen: Am stärksten betroffen; Fehler können bei Consumer-Geräten unter starkem Multipath mehrere Meter betragen, liegen aber mit Vermessungsgeräten und guten Bedingungen meist im Zentimeter- bis Dezimeterbereich.
  • Trägerphasenmessungen: Fehler im Millimeter- bis Zentimeterbereich. Besonders problematisch für hochpräzises RTK und Netzwerk-RTK, da ein einzelnes Multipath-Ereignis den Verlust der Ganzzahlmehrdeutigkeit oder Lösungssprünge verursachen kann.
  • Auswirkungen in der Praxis: Positions-“Sprünge”, “Drift”, lange RTK-Fixzeiten und inkonsistente Ergebnisse bei wiederholten Messungen am gleichen Punkt.

Multipath ist besonders gefährlich in sicherheitskritischen Anwendungen (z. B. Luftfahrt, autonome Fahrzeuge) und ein Hauptfaktor für die von Organisationen wie der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) festgelegten Leistungsanforderungen.

Erkennung von Multipath im Feld

Die Feld-Erkennung von Multipath erfordert sorgfältige Beobachtung des GNSS-Systemstatus und der Umgebungsbedingungen:

  • Hoher PDOP: Weist auf schlechte Satellitengeometrie hin, oft durch NLOS-Signale verursacht.
  • Lange Fixzeiten: Verlängerte Mehrdeutigkeitsauflösung bei RTK oder Netzwerk-RTK deutet auf Multipath-Störungen hin.
  • Instabile Lösungen: Häufige Wechsel zwischen Float- und Fix-Status oder plötzlicher Verlust des Fixes.
  • Positionsdrift/-sprünge: Unerklärliche Bewegung bei Stillstand.
  • Niedriges oder schwankendes SNR: Reflektierte Signale haben ein niedrigeres SNR; schnelle SNR-Änderungen deuten auf Multipath hin.

Tipp: Überwachen Sie immer PDOP, SNR und Lösungsstatus. Dokumentieren Sie die Umgebungsbedingungen (Anwesenheit reflektierender Flächen, Fahrzeuge, Wasser usw.) während des Vermessungsaufbaus.

Strategien zur Minimierung von Multipath-Fehlern

Antennentechnologie

  • Choke-Ring-Antennen: Spezielle Antennen mit konzentrischen Ringen, die Signale mit niedrigem Elevationswinkel absorbieren und Bodenreflexionen minimieren.
  • Groundplanes: Metallplatten unter der Antenne blockieren Signale, die vom Boden reflektiert werden.
  • RHCP-Antennen: Rechtsdrehend zirkular polarisierte Antennen dämpfen Multipath, da reflektierte Signale die Polarisation umkehren.
  • Erhöhte Platzierung: Antennen über dem Boden und entfernt von offensichtlichen Reflektoren montieren.

Empfängertechnologie

  • Multi-Konstellation & Mehrfrequenz: Mehr Satelliten und Signale überwachen, um die am wenigsten von Multipath betroffenen auszuwählen.
  • Fortschrittliche Algorithmen: Moderne Empfänger nutzen SNR-, Phasen- und Korrelationmetriken, um Multipath zu erkennen und zu unterdrücken.

Feldtechniken

  • Standortwahl: Offene Himmelsbereiche bevorzugen, reflektierende Oberflächen in der Nähe vermeiden.
  • Antennenerhöhung: Antennen auf Stativen oder Stangen platzieren, um Bodenreflexionen zu minimieren.
  • Messzeit wählen: Messungen planen, wenn Satelliten hoch am Himmel stehen (hohe Elevationswinkel).

Nachbearbeitung

  • Multipath-Filterung/-Erkennung: Software identifiziert und entwertet verdächtige Messungen durch statistische und Qualitätsanalyse.
  • Redundante Messungen: Messungen wiederholen und vergleichen, um Auffälligkeiten festzustellen.

Fortschritte in der Multipath-Minimierungstechnologie

Moderne GNSS-Vermessung profitiert von fortschrittlichen Innovationen:

  • Mehrfrequenzempfang: Dual- und Triple-Frequenz-Empfänger nutzen Frequenzvielfalt, um Multipath zu unterscheiden.
  • KI & Maschinelles Lernen: Mustererkennungs-Algorithmen lernen typische Multipath-Muster vor Ort und passen Filter in Echtzeit an.
  • Erweiterte Satellitenkonstellationen: Mehr sichtbare Satelliten bedeuten bessere Geometrie und mehr multipath-unempfindliche Optionen.
  • Verbesserte Signalmodulation: Neue Signale (z. B. BOC) besitzen schärfere Autokorrelation und helfen dem Empfänger, direkte von reflektierten Signalen besser zu trennen.
  • Intelligente Antennenarrays: Elektronisches Beamforming bevorzugt himmelgerichtete Signale und unterdrückt Boden-/Niedrigelevations-Multipath.

Hersteller wie Hemisphere, Trimble und Leica integrieren diese Fortschritte, sodass ihre neuesten Empfänger auch in schwierigen Umgebungen hochpräzise Ergebnisse liefern.

Wichtigste Erkenntnisse

  • Multipath-Fehler entstehen durch Reflexionen von Satellitensignalen und führen zu erheblichen GNSS-Positionsfehlern.
  • Besonders stark wirken sie sich in urbanen, wasserreichen oder metallhaltigen Umgebungen aus.
  • Sowohl Pseudorange- als auch Trägerphasenmessungen werden beeinflusst, was die Vermessungsgenauigkeit und RTK-Leistung beeinträchtigt.
  • Die Erkennung erfolgt durch Überwachung von PDOP, SNR, Fixstatus und Koordinatenkonsistenz.
  • Die Minimierung kombiniert fortschrittliche Antennen, Mehrfrequenzempfänger, kluge Feldpraktiken und Nachbearbeitung.
  • Laufende technologische Innovationen verbessern ständig die Multipath-Resistenz und ermöglichen präzise GNSS-Positionierung in immer mehr Umgebungen.

Glossar der Begriffe

  • GNSS (Globales Navigationssatellitensystem): Übergeordneter Begriff für alle satellitengestützten Positionierungssysteme, einschließlich GPS, GLONASS, Galileo und BeiDou.
  • GPS (Global Positioning System): Der von den USA betriebene Teil des GNSS, weltweit weit verbreitet.
  • Pseudorange: Die gemessene Entfernung zwischen Satellit und Empfänger, einschließlich aller Fehler (Multipath, Uhren, Atmosphäre).
  • Trägerphase: Die präzise Messung der Phase der Trägerwelle des GNSS-Signals, entscheidend für hochpräzise Verfahren.
  • RTK (Real-Time Kinematic): Technik, die Trägerphase und Echtzeitkorrekturen für Genauigkeiten im Zentimeterbereich nutzt.
  • PDOP (Position Dilution of Precision): Maß für die Satellitengeometrie; niedrige Werte bedeuten bessere potenzielle Genauigkeit.
  • NLOS/LOS: Non-Line-of-Sight (reflektierter Weg) und Line-of-Sight (direkter Weg) beim Signalempfang.
  • Choke-Ring-Antenne: Antenne mit konzentrischen Metallringen zur Reduzierung von Multipath.
  • Groundplane: Leitfähige Platte unter der Antenne, die bodenreflektierte Signale blockiert.
  • RHCP: Rechtsdrehend zirkular polarisierte Antennen, die bevorzugt direkte GNSS-Signale empfangen.

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Häufig gestellte Fragen

Was ist ein Multipath-Fehler bei GNSS/GPS-Vermessungen?

Ein Multipath-Fehler entsteht, wenn GNSS-Satellitensignale den Empfänger sowohl über den direkten (Sichtverbindung) als auch über einen oder mehrere indirekte (reflektierte) Wege erreichen – typischerweise von Oberflächen wie Gebäuden, Wasser oder Fahrzeugen. Der Empfänger interpretiert diese kombinierten Signale als vom selben Satelliten kommend, was durch die längeren Laufzeiten der reflektierten Signale zu Ungenauigkeiten bei der Positionsberechnung führt.

Wie wirkt sich der Multipath-Fehler auf die GNSS-Genauigkeit aus?

Multipath-Fehler können Positionsungenauigkeiten von wenigen Zentimetern bis zu mehreren Metern verursachen – abhängig von Umgebung und Ausrüstung. Pseudorange-Messungen sind im Allgemeinen stärker betroffen als Trägerphasenmessungen, aber beide können erhebliche Fehler aufweisen. Bei hochpräzisen Anwendungen wie RTK kann Multipath zu Lösungssprüngen, Drift und Problemen bei der Auflösung von Ganzzahlmehrdeutigkeiten führen.

In welchen Umgebungen tritt der Multipath-Fehler am häufigsten auf?

Städtische Umgebungen mit hohen Gebäuden ('urbane Schluchten'), Bereiche in Wassernähe, metallische Strukturen und sogar feuchte Vegetation sind aufgrund ihrer reflektierenden Oberflächen besonders anfällig für Multipath-Fehler. Umgebungen mit eingeschränkter Himmelsicht oder vielen Hindernissen erhöhen die Wahrscheinlichkeit von Signalreflexionen.

Wie kann man Multipath-Fehler im Feld erkennen?

Anzeichen für Multipath sind hohe oder schwankende PDOP-Werte, ungewöhnlich lange RTK-Fixzeiten, häufige Wechsel zwischen Float- und Fix-Status, plötzliche Positionssprünge oder Drift sowie niedrige oder unregelmäßige Signal-Rausch-Verhältnisse (SNR). Die Überwachung dieser Parameter und die visuelle Inspektion auf reflektierende Oberflächen in der Umgebung helfen bei der Identifizierung von Multipath-Problemen.

Welche Strategien helfen, Multipath-Fehler zu minimieren?

Die Minimierung kombiniert Ausrüstung und Technik: Verwenden Sie Choke-Ring- oder Groundplane-Antennen, Mehrfrequenz- und Mehrkonstellations-Empfänger und vermeiden Sie Antennenplatzierungen in der Nähe reflektierender Oberflächen. In der Nachbearbeitung können Algorithmen multipath-beeinflusste Daten erkennen und abwerten. Kluge Feldpraktiken wie erhöhte Antennenplatzierung und sorgfältige Standortwahl senken zusätzlich das Risiko.

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